Friedensfördernde Narrative stärken

Stellungnahme vom 14. Dezember 2023 zum Krieg zwischen Israel und der Hamas.
Kinder in einem zerstörten Wohnhaus im Gazastreifen. Foto: Samar Abu Elouf

Am 16. Dezember 2023 dauert der Krieg zwischen Israel und der Hamas im Gazastreifen bereits seit zehn Wochen an. In den hiesigen Medien finden dazu heftige Auseinandersetzungen und starke Polarisierungen statt, in denen sich reduktionistische bis hin zu einseitige Narrative häufen. In dieser aufgeheizten Debatte werden militärische Narrative intensiviert und der Raum für feministische und friedenspolitische Stimmen, die sich gegen direkte, strukturelle und kulturelle Gewalt engagieren, wird kleiner.

Statt die Verletzung des humanitären Völkerrechtes und die Gewalt gegenüber Zivilpersonen durch die Hamas und die israelische Armee klar und konsequent zu verurteilen, wird im aktuell dominanten politischen und medialen Diskurs Israel das Recht auf militärische Selbstverteidigung pauschal zugesprochen. Diese Logik lässt ausser Acht, dass Selbstverteidigungsmassnahmen laut internationalem Recht an die Verhältnismässigkeit gebunden sind und unbeteiligte Zivilist*innen geschützt werden müssen. Am 7. Oktober 2023, töteten die Hamas über 1’200 Israel*innen und Angehörige anderer Staaten. Auch nahmen sie mehr als 200 Menschen in Geiselhaft. Die darauffolgenden israelischen Bombardierungen töteten im Gazastreifen 18'000 Palästinenser*innen. Zu Recht verurteilten viele Politiker*innen und die gängigen Medien die abscheulichen Verbrechen der Hamas in Israel umgehend aufs Schärfste. Nur sehr wenige von ihnen haben auch die israelischen Bombardierungen des Gazastreifens mit der gleichen Vehemenz verurteilt. Damit unterscheiden sie zwischen Zivilist*innen, die unrechtmässig Gewalt ausgesetzt werden, und anderen Unbeteiligten, bei denen das angeblich legitim ist. Diese Unterscheidung entmenschlicht und fusst auf der Idee, dass palästinensische Leben weniger wert seien als israelische.

Es ist dringend notwendig, von allen beteiligten Konfliktparteien unmissverständlich zu fordern, das humanitäre Kriegsrecht einzuhalten. Weil diese Forderung jedoch implizit bedeutet, den Krieg zu humanisieren, statt ihn grundsätzlich zu beenden, folgt sie einer systemerhaltenden Logik. Das reicht aus friedenspolitischer Sicht bei weitem nicht aus. Die tragischen Entwicklungen im Nahen Osten demonstrieren auf brutale Weise, dass dieser Konflikt auf politischer Ebene gelöst werden muss. Dazu müssen die Gewaltzyklen und Machtverhältnisse in Israel/Palästina historisch beleuchtet und reflektiert werden. Zugleich gilt es, langfristige friedensfördernde Perspektiven zu entwickeln und wiederzubeleben. Die wenigen Stimmen, die sich für einen Waffenstillstand und eine politische Lösung einsetzen, welche die Beendigung der israelischen Besatzungspolitik fordern oder sich für das palästinensische Selbstbestimmungsrecht aussprechen, werden unterdrückt, diffamiert und gar kriminalisiert. Ihnen wird nicht nur systematisch Relativierung von Gewalt, sondern auch pauschal Antisemitismus vorgeworfen. Auch gut etablierte humanitäre und Menschenrechtsorganisationen werden delegitimiert, und Gelder werden ihnen entzogen.

Seit dem 7. Oktober nehmen antisemitische Äusserungen sowie tätliche Angriffe zu. Diese Entwicklungen dürfen auch in der Schweiz nicht unterschätzt werden. Antisemitismus muss auf allen Ebenen vehement bekämpft werden. Eine Kritik an der israelischen Politik ist aber nicht per se antisemitisch, wie dies auch vom Forum für Menschenrechte in Israel/Palästina ausgeführt wird. Sie kann ohne Bezug auf jüdische Menschen und somit losgelöst von antijüdischen Vorurteilen oder Hass gegenüber jüdischen Menschen erfolgen. Kritik an der israelischen Politik grundsätzlich als antisemitisch zu bezeichnen, kann eine Strategie sein, um Kritik an der israelischen Besatzungspolitik sowie das Engagement für gleiche Rechte aller Menschen in Israel/Palästina zu unterbinden. Jegliche Kritik am israelischen Staat mit Antisemitismus gleichzusetzen, führt zu einer Verwässerung des Antisemitismus-Begriffes. Dies hilft dem wichtigen Engagement gegen Antisemitismus, das eine Aufgabe der ganzen Gesellschaft ist, nicht. Opfer von Antisemitismus sind, wie bei anderen Diskriminierungsformen, Menschen (als Einzelpersonen und Kollektive) und nicht Staaten. Deshalb müssen Menschen und nicht Staaten vor Diskriminierung geschützt werden, wie es auch die schweizerische «Jüdische Stimme für Demokratie und Gerechtigkeit in Israel/Palästina (jvjp)» formuliert. Dafür braucht es eine präzise Definition, die klar zwischen antijüdischer Haltung und Taten einerseits, und legitimer Kritik an der Politik des Staates Israel andererseits, unterscheidet.

In der hiesigen Debatte wird kaum erwähnt, dass auch antimuslimischer Rassismus und Hassverbrechen an Muslim*innen weiter stark ansteigen – und deswegen dringend effektiver bekämpft werden müssen. Äusserungen von antimuslimischem Rassismus sind in vielen Kreisen akzeptiert. Zudem fällt auf, dass rechte Kräfte in der Schweiz Antisemitismus vorwiegend als Problem darstellen, das von muslimischen Menschen ausgeht. Ähnlich passiert dies in Deutschland, wo 93 Prozent der antisemitischen Übergriffe rechtsextrem motiviert sind, während diskutiert wird, dass Migrant*innen den Antisemitismus importiert hätten. Hier ist die gleiche Logik zu beobachten, wie wenn geschlechtsspezifische Gewalt für rassistische Hetze instrumentalisiert wird. Wie Sexismus wird auch Antisemitismus dabei nicht als Problem (an)erkannt, das in breiten Gesellschaftsschichten und insbesondere im rechten Spektrum besteht und strukturell verankert ist. Stattdessen wird es auf den «äusseren Anderen» abgeschoben.

Die einseitige Berichterstattung über die jüngste Gewalteskalation in Nahost ist nicht zuletzt ein Resultat des anhaltenden Rechtsrutsches in der Deutschschweizer Medienlandschaft. Die politischen Deutungsmuster sind keineswegs «neutral», «unideologisch» oder «objektiv», wie dies suggeriert wird. Seit Beginn des russischen Krieges gegen die Ukraine hat eine kriegerische Rhetorik in öffentlichen Debatten zugenommen. Dies fördert eine militarisierte und patriarchale Haltung auf nationaler und internationaler Ebene. Es beruht auf täglich neuen Entscheidungen, in der aktuellen Situation kaum palästinensische und jüdische Stimmen zu Wort kommen zu lassen, die sich für Frieden engagieren, sowie solche, die sich gegen direkte, strukturelle und kulturelle Gewalt aussprechen. Dieser Ausschluss von Friedensstimmen drückt eine politische Haltung aus und widerspiegelt die Machtverhältnisse in unserer Gesellschaft.

Gerade jetzt – wo sich diverse Krisen, Kriege und imperiale Machtausübungen häufen – brauchen wir ganzheitliche und vorausschauende Analysen, statt auf Einzelereignisse fokussierte, meist reisserische und hetzerische Kommentare. Was, aus welcher Perspektive wie erzählt wird beeinflusst unsere Wahrnehmung von Frieden und Krieg. Es kann gesellschaftliche Spaltung und Polarisierung weiter vorantreiben oder zum sozialen Zusammenhalt beitragen. Damit ihr Potenzial für die Friedenskonsolidierung und Konfliktbewältigung genutzt werden kann, müssen in (sozialen) Medien, Politik und der hiesigen Zivilgesellschaft, friedenspolitischen Stimmen mehr Gewicht gegeben und den Rücken gestärkt werden.

Die weiteren Stellungnahmen und mitunterzeichnete Briefe finden Sie hier: Stellungnahmen zum Krieg zwischen Israel und Gaza

Zum Nothilfeprojekt Gaza und Negev

Stellungnahmen

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Gegen den Strom: Schutz der 25-jährigen Agenda Frauen, Frieden und Sicherheit

Allianz für Frauen, Frieden & Sicherheit
Gemeinsame Stellungnahme zum 25-jährigen Jubiläum der Resolution 1325 des UN-Sicherheitsrats zu Frauen, Frieden und Sicherheit.
Logo des Forum für Menschenrechte Israel/Palästina mit pinkem Farbfilter.

Völkerrechtswidrige Angriffe auf das Gesundheitswesen in Gaza müssen gestoppt werden

Forum für Menschenrechte in Israel/Palästina
Wir verurteilen die jüngsten Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen von Partnerorganisationen seiner Mitgliedsorganisation medico international schweiz aufs Schärfste und fordert den Schweizer Bundesrat auf, endlich konsequent zu handeln.
Frau mit zwei Säcken in der Hand läuft im zerstörten Gaza herum.

Geschäfte auf Kosten von Menschen- und Völkerrecht – ein Blick auf die Verbindungen schweizerischer und israelischer Akteur*innen im Rüstungsbereich

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Nach jahrzehntelanger Besatzung des palästinensischen Gebiets und bald zwei Jahren Krieg zwischen Israel und der Hamas stellt sich die Frage: Wieso gehen die Grausamkeiten, die Völkerrechts- und Menschenrechtsverletzungen durch alle Kriegsparteien sowie die genozidialen Handlungen durch Israel ungehindert weiter?
Logo des Forum für Menschenrechte Israel/Palästina mit Farbfilter.

Die Schweiz verurteilt Israels Kriegsführung – konkrete Massnahmen müssen folgen

Forum für Menschenrechte in Israel/Palästina
Das Forum für Menschenrechte in Israel/Palästina begrüsst, dass die Schweiz zusammen mit 29 anderen Staaten sowie der EU-Kommissarin für Resilienz am 21. Juli 2025 die israelische Kriegsführung im Gazastreifen deutlich verurteilt hat.
weitere Stellungnahmen

Zwischen Hürden und Hoffnung

18:00 Uhr
Haus der Bewegungen, Kollektivraum
Realistische Sicht von Migrantinnen auf die Integration in den Schweizer Arbeitsmarkt
> Detailinfos zum Anlass

Mira – Kompass Veranstaltungsreihe: Gesprächsrunden zum Thema Schutz vor Gewalt (Teil 1)

16:00 Uhr
Frieda - die feministische Friedensorganisation
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Frauen mit Migrationserfahrung erleben verschiedene Formen von Gewalt. An drei Nachmittagen besprechen wir Strategien dagegen und den rechtlichen Schutz vor häuslicher Gewalt für Frauen ohne Schweizer Staatsangehörigkeit. Die Veranstaltung findet im Rahmen der «16 Tage gegen Gewalt an Frauen» statt.
> Detailinfos zum Anlass

Kongress der Asyl- und Migrationsbewegung

10:00 Uhr
Zentrum für Kulturproduktion PROGR
Unter dem Motto «Reclaim mobility freedom rights» findet am 28. und 29. November 2025 im Kulturzentrum PROGR in Bern ein zweitägiger Kongress statt.
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Geschlechtsspezifische Gewalt und Behinderungen – Lesung und Diskussion

19:30 Uhr
GLEIS
Im Rahmen der Kampagne «16 Tage gegen Gewalt an Frauen» liest Laura Leupi aus ihrem Buch «Das Alphabet der sexualisierten Gewalt».
> Detailinfos zum Anlass

Mira – Kompass Veranstaltungsreihe: Gesprächsrunden zum Thema Schutz vor Gewalt (Teil 2)

16:00 Uhr
Frieda - die feministische Friedensorganisation
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Frauen mit Migrationserfahrung erleben verschiedene Formen der Gewalt. An drei Nachmittagen reden wir darüber und lernen Strategien gegen Gewalt kennen. Wir fokussieren uns auf den rechtlichen Schutz vor häuslicher Gewalt für Frauen ohne Schweizer Staatsangehörigkeit. Die Veranstaltung findet im Rahmen der «16 Tage gegen Gewalt an Frauen» statt.
> Detailinfos zum Anlass

Mira – Kompass Veranstaltungsreihe: Gesprächsrunden zum Thema Schutz vor Gewalt (Teil 3)

16:00 Uhr
Frieda - die feministische Friedensorganisation
strukturellegewalt1200x600.png
Frauen mit Migrationserfahrung erleben verschiedene Formen der Gewalt. An drei Nachmittagen reden wir darüber und lernen Strategien gegen Gewalt kennen. Wir fokussieren uns auf den rechtlichen Schutz vor häuslicher Gewalt für Frauen ohne Schweizer Staatsangehörigkeit. Die Veranstaltung findet im Rahmen der «16 Tage gegen Gewalt an Frauen» statt.
> Detailinfos zum Anlass

Forum «Körper im Widerstand: Geschlecht, Behinderungen, Gewalt kritisch analysieren»

09:30 Uhr
Mit dem Forum «Körper im Widerstand: Geschlecht, Behinderungen, Gewalt kritisch analysieren» beleuchtet Frieda eine Realität, die noch zu oft übersehen wird: die Gewalt, der Frauen und queere Menschen mit Behinderungen ausgesetzt sind.
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Film: 10 Jahre Jubiläum Film «Wir Mitbürgerinnen»

17:00 Uhr
Verein Living Room
Filmvorführung mit anschliessender Podiumsdiskussion mit den Protagonistinnen
> Detailinfos zum Anlass

Utopia Rising: Feministischen Frieden kollektiv verwirklichen

14:00 Uhr
Heitere Fahne und queerfeministischer Raum (Reitschule Bern)
Ein Datum zum Vormerken: Vom 6. – 7. März 2026 organisiert Frieda – die feministische Friedensorganisation unter dem Titel «Utopia Rising: Feministischen Frieden kollektiv verwirklichen» die 8. Schweizer Friedenskonferenz in Bern.
> Detailinfos zum Anlass

Utopia Rising Brunch: Feministischen Frieden kollektiv verwirklichen

10:00 Uhr
Heitere Fahne - die Idealistenkiste
Ein Datum zum Vormerken: Vom 6. – 7. März 2026 organisiert Frieda – die feministische Friedensorganisation unter dem Titel «Utopia Rising: Feministischen Frieden kollektiv verwirklichen» die 8. Schweizer Friedenskonferenz in Bern.
> Detailinfos zum Anlass
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