Geschäfte auf Kosten von Menschen- und Völkerrecht – ein Blick auf die Verbindungen schweizerischer und israelischer Akteur*innen im Rüstungsbereich

Eine Antwort liefert Francesca Albanese, UN-Sonderberichterstatterin für das besetzte palästinensische Gebiet: Weil zahlreiche Akteur*innen wie Konzerne, Banken oder Versicherungen wirtschaftlich davon profitieren.[1] Sie spricht damit eine globale Dynamik an: Im Schatten jedes bewaffneten Konflikts erleben Rüstungsunternehmen einen Auftragsboom für Kriegsmaterial, Waffen und Munition. Auch Schweizer Unternehmen beteiligen sich intensiv am weltweiten Handel mit Kriegsmaterial.[2] Die tödlichen Konsequenzen dieser oft profitablen Geschäfte sind meist nicht klar kontrollier- oder nachverfolgbar und müssen fernab der Schweiz erlitten werden: So wurde Schweizer Kriegsmaterial in der Vergangenheit unter anderem im Jemenkrieg, in Libyen und im syrischen Bürgerkrieg eingesetzt.[3] Solange Geschäfte über Menschenleben gestellt werden, gibt es keinen feministischen Frieden. Als feministische Friedensorganisation erachten wir es deshalb als zentral, die globale Rüstungsindustrie zu beleuchten. Nachfolgend tun wir dies – als Organisation mit Programmen in der Schweiz wie auch in Israel und Palästina – exemplarisch für die Verbindungen der Schweiz, hiesiger Unternehmen und Institutionen in die völkerrechtswidrige israelische Besatzung des palästinensischen Gebiets und den aktuellen Gazakrieg.
Im Jahr 2024 exportierte die Schweizer Rüstungsindustrie mit Bewilligung des Staatssekretariats für Wirtschaft Kriegsmaterial im Wert von rund CHF 665 Millionen in 60 Länder.[4] Die Schweiz rühmt sich, eines der strengsten Ausfuhrgesetze für Kriegsmaterial zu haben: Exporte in Konfliktgebiete sowie in Länder, die Menschenrechte schwerwiegend verletzen, sind grundsätzlich verboten.[5] Aber: Dual-Use-Güter – also Güter, die sowohl militärisch wie auch zivil genutzt werden können – fallen nicht unter das Gesetz. So wurden von 2015 bis 2024 Schweizer Dual-Use-Ausfuhren nach Israel im Wert von knapp CHF 86 Millionen bewilligt.[6] Ausgerechnet im Jahr 2024, in dem die israelische Armee zehntausende Palästinenser*innen getötet hat, wurden solche potenziell militärisch nutzbaren Güter in rekordhohem Umfang von CHF 16.7 Millionen aus der Schweiz nach Israel geliefert.[7] Und die Zahlen des ersten Halbjahres 2025 zeigen: Es kommt wohl zu einem neuen Rekordhoch.[8] Wo und zu welchem Zweck diese Güter in der Praxis genau eingesetzt werden, ist unklar.
Klar ist hingegen, dass die Waren an einen Staat geliefert werden, dessen Präsenz – gemäss Urteil des Internationalen Gerichtshofs – im besetzten palästinensischen Gebiet unrechtmässig ist und dessen Praktiken das Völkerrecht sowie die Menschenrechte verletzen.[9] Klar ist auch, wer von diesen Geschäften wirtschaftlich profitiert: Schweizer (Rüstungs-)Firmen. Doch statt diesen Geschäften Einhalt zu gebieten, erwägt der Bundesrat zurzeit, das Kriegsmaterialgesetz weiter zu lockern.[10] Dies könnte den Weg dazu ebnen, dass in Zukunft auch Staaten wie Israel, die Völkerrecht und Menschenrechte missachten, zusätzlich zu den heute bereits exportierbaren Dual-Use-Gütern indirekt auch mit Schweizer Kriegsmaterial beliefert werden können.
Auch der Finanzplatz Schweiz steht in der Kritik, (indirekt) vom Krieg im Gazastreifen und der völkerrechtswidrigen Besatzung des Westjordanlandes zu profitieren. Kritisiert werden vor allem Schweizer Investitionen in Firmen, die Güter herstellen, welche die israelische Armee zur Zerstörung des Gazastreifens und zu Angriffen auf Palästinenser*innen einsetzt.[11] So investiert die Schweizerische Nationalbank (SNB) unter anderem in den israelischen Rüstungskonzern Elbit Systems, ein zentraler Lieferant von Kriegsmaterial für die israelische Armee.[12] Anfangs 2023 kaufte die SNB Aktien von Elbit, deren Wert, angekurbelt durch Bestellungen der israelischen Armee für den Gazakrieg, in die Höhe schoss. Der Teilverkauf ihrer Elbit-Aktien brachte der SNB gemäss Recherchen des Westschweizer Radio und Fernsehen RTS einen Gewinn von schätzungsweise einer Million US-Dollar ein.[13]
Ein erweiterter Blickwinkel macht weitere Verbindungen zwischen schweizerischen und israelischen Akteur*innen im Rüstungsbereich sichtbar. So kauft die Schweizer Armee derzeit ausgerechnet von Elbit Funkgeräte und Drohnen.[14] Zynischerweise wirbt Elbit damit, dass die entsprechende Drohne Hermes 900 kampferprobt sei: Sie flog ihren ersten Einsatz während der Operation «Fels in der Brandung», des Angriffs Israels auf den Gazastreifen im Jahr 2014, bei dem 2000 Palästinenser*innen, darunter 500 Kinder, getötet wurden.[15] Zudem hat Elbit ein Forschungsprojekt an der Universität St. Gallen mitfinanziert.[16] Gerade der wissenschaftliche Austausch zwischen schweizerischen und israelischen Universitäten im Rüstungs- und Überwachungsbereich sowie die Mitfinanzierung von schweizerischen Forschungsprojekten durch israelische Rüstungskonzerne bleibt bis heute ungenügend aufgearbeitet.
Diese zahlreichen Verbindungen zwischen schweizerischen Akteur*innen und dem militärisch-industriellen Komplex Israels gehen einher mit Entscheidungen der offiziellen Schweiz: Im Jahr 2013 hat der damalige Bundesrat Ueli Maurer eine Absichtserklärung mit Israel unterschrieben, bei der es auch um den Aufbau einer «für beide Seiten vorteilhaften Zusammenarbeit in ausgewählten Projekten im Bereich Verteidigung zwischen den Ministerien/Departementen und/oder ihren Streitkräften» ging.[17]
Der Internationale Gerichtshof hält klar fest: Drittstaaten dürfen keine Unterstützung oder Hilfe bei der Aufrechterhaltung der Situation, die sich aus der rechtswidrigen Präsenz Israels im besetzten palästinensischen Gebiet ergibt, leisten.[18] Um zu verhindern, dass sich die Schweiz und hiesige Akteur*innen für wirtschaftliche Geschäfte zu Mittäter*innen von Menschenrechts- und Völkerrechtsverletzungen machen, braucht es:
Ein sofortiges Embargo für den Export von Dual-Use-Gütern sowie sämtlichem militärisch nutzbarem Material an Israel und alle weiteren Akteur*innen, die an bewaffneten Konflikten beteiligt sind und mutmasslich Menschen- oder Völkerrechtsverletzungen begehen
Eine Verschärfung des Kriegsmaterialgesetzes – keine Lockerung
Keine Investitionen in (israelische und israelnahe) Rüstungskonzerne durch den Finanzplatz Schweiz
Keine Geschäfte mit (israelischen und israelnahen) Rüstungskonzernen durch die Schweizer Armee oder andere öffentliche Organe
Keine Finanzierung von Forschungsprojekten an Schweizer Universitäten durch (israelische) Rüstungskonzerne
Zudem fordern wir weiterhin einen entschiedenen Einsatz der Schweiz für:
Einen sofortigen Waffenstillstand zwischen Israel und der Hamas
Die ausreichende humanitäre Versorgung für die palästinensische Zivilbevölkerung im Gazastreifen
Die Freilassung aller israelischer Geiseln und willkürlich inhaftierten Palästinenser*innen
Die strafrechtliche Verfolgung aller mutmasslichen Kriegsverbrechen
Eine politische Lösung für einen gerechten Frieden in Israel und Palästina sowie das Ende der völkerrechtswidrigen israelischen Besatzung
[1] Vgl. Francesca Albanese: Von der Ökonomie der Besatzung zur Ökonomie des Genozids, 30. Juni 2025.
[2] Vgl. Alliance for Women, Peace, and Security: UN-Resolution 1325 Frauen, Frieden, Sicherheit – Zivilgesellschaftliche Prioritäten für den 5. Schweizer Nationalen Aktionsplan, April 2024.
[3] Vgl. Amnesty International: Schweizer Handgranaten von den Emiraten an Miliz im Jemen geliefert, 8. Februar 2019.
[4] Vgl. WBF/SECO: Ausfuhr von Kriegsmaterial im Jahr 2024, 11. März 2025.
[5] Vgl. Allianz für Frauen, Frieden und Sicherheit, 2024.
[6] Vgl. Jan Jirát: Rüstungsdeals zwischen der Schweiz und Israel. Eine innige Partnerschaft, in: WOZ, 29. Mai 2025.
[7] Ebd;
[8] Vgl. SECO: Erteilte Einzelausfuhrbewilligungen für Dual-Use-Güter und besondere militärische Güter: 2025.
[9] Vgl. EDA/Direktion für Völkerrecht: Analyse des Gutachtens des Internationalen Gerichtshofs (IGH) vom 19. Juli 2024 zu den rechtlichen Folgen, die sich aus Israels Politik und Praxis im besetzten palästinensischen Gebiet, einschliesslich Ostjerusalem ergeben, 2025.
[10] Vgl. Korrektur-Referendum: Keine Waffen an Unrechtsregime!, 2025.
[11] Vgl. Fabian Kohler & Maj-Britt Horlacher: Krieg im Nahen Osten. Nationalbank investiert in umstrittene Firmen, 10. September 2025; vgl. Claude-Olivier Volluz: Anlagepolitik der Nationalbank. Israelisches Rüstungsunternehmen verhilft der SNB zu Gewinn, 28. Juni 2024.
[12] Ebd;
[13] Ebd;
[14] Siehe. Jan Jirát, 2025.
[15] Ebd;
[16] Vgl. Jan Jirát: Israelische Rüstungsfirma finanzierte HSG-Forschung, 23. Mai 2024.
[17] Siehe. Jan Jirát, 2025.
[18] Vgl. EDA/Direktion für Völkerrecht, 2025.
Stellungnahmen

Völkerrechtswidrige Angriffe auf das Gesundheitswesen in Gaza müssen gestoppt werden

Geschäfte auf Kosten von Menschen- und Völkerrecht – ein Blick auf die Verbindungen schweizerischer und israelischer Akteur*innen im Rüstungsbereich
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Die Schweiz verurteilt Israels Kriegsführung – konkrete Massnahmen müssen folgen
