Eine partizipative Praxis, die stärkt und sensibilisiert

Im Rahmen des Projekts «Mira – Kompass» organisierten die Teilnehmerinnen im November 2024 zwei gelungene öffentliche Veranstaltungen. Dabei konnten die Teilnehmerinnen, Migrantinnen mit Ausbildungen und Qualifikationen, ihre vielfältigen Kompetenzen einsetzen: Sie sammelten Erfahrungen in der Öffentlichkeitsarbeit, vernetzten sich und sensibilisierten die Öffentlichkeit für migrationspolitisch relevante Themen.
Die Teilnehmerinnen des Projekts «Mira – Kompass» bringen Hochschul- und Berufsabschlüsse sowie oft mehrjährige Arbeitserfahrungen mit. Bei der Suche nach einer Arbeitsstelle, die ihren Qualifikationen entspricht, machen sie jedoch immer wieder negative Erfahrungen. Rechtliche, soziale und institutionelle Diskriminierungen erschweren ihnen den Zugang zum Arbeitsmarkt und schränken ihre Handlungsoptionen ein. Darunter leidet ihr Selbstvertrauen und ihre Selbstwahrnehmung.
Die Mira-Veranstaltungen wirken dem entgegen: In Zusammenarbeit mit dem Projektteam konzipierten, planten und organisierten die Teilnehmerinnen die Veranstaltungen über mehrere Monate und führten sie schliesslich durch. Dies ermöglichte vielen, einmal in einem Schweizer Kontext in der Rolle von Organisatorinnen und Auftraggeberinnen zu sein und vor grösserem Publikum zu stehen. In einem gesellschaftlichen Kontext, der von Nicht-Anerkennung und Abwertung geprägt ist, ist das Einnehmen dieser Rolle nicht zu unterschätzen.
Re-Empowerment durch Praxiserfahrung
Viele der Teilnehmerinnen erlebten anfangs Unsicherheit und Zweifel. Mit der Zeit wurde immer deutlicher, dass sie in die Rolle hineinwuchsen. Eine Teilnehmerin, die am Anfang nicht vor Publikum sprechen wollte, fragte nach der Veranstaltung: «Warum ist es schon vorbei?». Eine andere sagte: «Wir haben das gemacht und geschafft, ich habe mehr Selbstvertrauen nach herausfordernden Erfahrungen».
Solche Re-Empowerment-Erfahrungen – dass die Teilnehmerinnen ihre Handlungsfähigkeit und Wirksamkeit wiederentdecken – wirken aber nicht nachhaltig, wenn Migrant*innen weiterhin strukturelle Ausgrenzung, Benachteiligung und Abwertung erfahren. Damit befasste sich auch der Inhalt der Veranstaltungen.
Sensibilisierung durch den Blick auf Strukturen
«Migrationstrauer und Migrationsrecht. Herausforderungen in politisch brisanten Zeiten» lautete der Titel der ersten Mira-Veranstaltung. Sie wurde organisiert von Dilan Atbaş Kara, Yareni Briceño, Gabriela Calvillo, Lyubov Dubynets, María Polishchuck und Karina Zamorano.
Mit ihrem Thema wollten sie die Öffentlichkeit auf zwei herausfordernde Aspekte, die die Lebensrealitäten von Migrant*innen in der Schweiz prägen, aufmerksam machen. In einem Gespräch stellten die Teilnehmerinnen der Anwältin Ana Moncada und der Psychologin Sabrina Nizzo Fragen zum Thema. Das Gespräch machte deutlich, dass Migrationstrauer eine spezifische Form der Trauer ist. Sie ist unter anderem abhängig vom Migrationsgrund, von mehrfachen Verlusterfahrungen, persönlichen Ressourcen oder dem aktuellen Lebenskontext.
Der Blick auf das Migrationsrecht ermöglichte, einen prägenden Aspekt des aktuellen Lebenskontexts Schweiz zu durchleuchten: Das Schweizer Migrationsrecht ist vielschichtig, es hierarchisiert Ansprüche von Migrant*innen und schafft ungleiche Zugänge. Dieses für viele unübersichtliche Migrationsregime bringt migrationsspezifische Stressoren hervor, die gesundheitliche Auswirkungen haben können. Migrationstrauer ist also kein isoliertes psychologisches Phänomen, sondern ein komplexer emotionaler Prozess, der in den gesellschaftlichen Kontext eingebettet ist.

Die zweite Veranstaltung befasste sich mit dem Thema «Das Unsichtbare sichtbar machen. Qualifizierte Migrant*innen im Arbeitsmarkt – Von Ausgrenzung zu Anerkennung und Teilhabe». Die Organisatorinnen waren Amraa Jargal Sambuu, Anastasiia Vitvitska, Ayşegül Harimci, Chajini Sinnathamby, Gözde Çeviker, Iryna Romanovska, Khaing Sandi Win Min und Melike Metin.
Auch diese Gruppe wollte mit der Veranstaltung Strukturen durchleuchten, die Migrant*innen ausgrenzen. Sie schafften zudem einen Rahmen, der eine Diskussion über individuelle sowie soziopolitische Strategien gegen Benachteiligung und Ausgrenzung ermöglicht. Beraterin Isabelle My Hanh Derungs und Sozialanthropologin Annemarie Sancar reflektierten in ihren Referaten über Selbst- und Fremdzuschreibungen, welche Migrant*innen erfahren. Sie betteten diese in einen breiteren gesellschaftlichen Rahmen ein und betonten die Wichtigkeit von stärkenden (Selbst-)Narrationen und der Sichtbarmachung von Handlungsspielräumen. Politikerin Lena Allenspach ergänzte diese Referate durch einen Blick auf sozioökonomische Bedingungen, die einen gleichberechtigten Zugang zu Arbeit erschweren. Sie machte Mehrfachdiskriminierung sichtbar und betonte die Notwendigkeit von intersektionalen Strategien.

Die Mira-Veranstaltungen 2024 wirkten auf mehreren Ebenen. Die partizipative Organisation stärkte die Teilnehmerinnen individuell. Mit dem Publikum öffneten sie einen Raum für Sensibilisierung und Diskussion. Schliesslich widerlegten sie den oft defizitorientierten Blick auf Migrantinnen – darauf werden die Mira-Veranstaltungen von 2025 aufbauen.
Mehr zum Mira – Kompass
Im Projekt Mira – Kompass vermitteln Workshops und Weiterbildungen die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Zusammenhänge von Care-Arbeit. Die Projektteilnehmerinnen lernen wichtige rechtliche Grundlagen und die Problematik struktureller Diskriminierungen kennen.
Unterstütze unserer Arbeit!
Immer auf dem Laufenden bleiben?
Willst du wissen, was bei Frieda passiert und wie es mit unseren Projekten weitergeht? Sichere dir aktuelle Infos direkt in deinem Posteingang und abonniere unseren Newsletter!